Acht die in den Bundestag wollen auf einen Streich. Wer tickt wie und wer will was? Die Elefantenrunde in der Alten Kaserne
Mittwoch, den 20.09.2017
Freie Wähler, FDP, Die Linke, SPD, CSU, Grüne, AfD und ÖDP standen Rede und Antwort.
Acht Direktkandidaten zur Bundestagswahl stellten sich heute Abend den Fragen vdes souveränen Diskussionsleiters, LZ-Redakteur Uli Karg, und des Publikums im voll besetzten Saal der Alten Kaserne. Zwei Kandidaten stachen während der 2,5-stündigen Veranstaltung besonders heraus: AfD-Kandidat Günter Straßberger, der sich in seinen Antworten kaum mit der Linie der Partei positionieren wollte und der türkischstämmige Erdan Dinar (Die Linke), der mit präzisen Antworten die Ziele seiner Partei definierte und dafür immer wieder Zwischenapplaus erntete. Und eine überhaupt nicht: Petra Seifert von den Grünen verpasste es komplett, ihre Partei in das Interesse der Zuhörer zu rücken. Ein nicht unbeträchtliches Polizeiaufgebot war ebenfalls vor Ort. Wohl um eventuelle Störungen gegen den Kandidaten der AfD schon von vornherein im Keim zu ersticken.
Das Veranstalterquartett wünscht spannende und intensive Diskussionen.
Die Podiumsdiskussionen vor Wahlen haben in der Alten Kaserne lange Tradition. Veranstaltet wurde der Abend durch die Alte Kaserne, den Stadt- und Kreisjugendring Landshut sowie den Migrationsbeirat der Stadt Landshut. Zu Beginn wurde klar dargestellt, dass alle Parteien eingeladen wurden. Auch die AfD, trotz einer Petition der DGB-Jugend. Denn die Veranstaltung, die schon seit vielen Jahren Tradition hat und soll zur demokratischen Meinungsbildung beitragen, so Martin Mezger (Leiter der Alten Kaserne), bei seiner Begrüßung. Entschuldigt war krankheitsbedingt Florian Geisenfelder von der Bayernpartei.
Die Regeln sind für alle Mitstreiter gleich. Zu Beginn werden Duelle ausgelost. So können immer zwei Kandidaten sich intensiver zu einem festgesetzten Thema austauschen. Jeder erhält eine Redezeit von einer Minute und jeder kann einmal einen Joker ziehen und sich zu einem Thema zusätzlich äußern.
Volles Haus bei freiem Eintritt. Der regionale Politikerwettstreit sorgte für großen Andrang in der Alten Kaserne.
Wahlrecht ab 18 – Familienwahlrecht
Begrüßen Sie es, dass Jugendliche mit 16 Jahren wählen dürfen, eröffnete Uli Karg die Debatte zwischen Nicole Bauer (FDP) und Erkan Dinar (Die Linke). Beide Kandidaten begrüßen dies. Nicole Bauer argumentierte, dass jeder ab 16 Mitglied in einer Parte werden kann und somit auch ein Wahlrecht erhalten soll. Erkan Dinar findet es zudem schade, dass Migranten nicht wählen dürfen. Themen die Jugendliche tangieren, haben beide Parteien in ihrem Programm, die Abschaffung von Studiengebühren (FDP), Digitalisierung und Internet (beide) und Antirassismus Die Linke). Und was die Legalisierung von Cannabis anbelangt, geben sich beide die Hand und fordern „Legalize it“. Übrigens: Bei einer spontanen Publikumsbefragung waren weit über 75 Prozent im Saal ebenfalls für die Legalisierung von Cannabis.
Für die FDP im Ring: Nicole Bauer unterstützt „Legalize it“.
Von der Forderung nach Familienwahlrecht zeigte sich Nicole Bauer noch Erkan Dinar begeistert. Während Stefan Zellner von der ÖDP sich per Joker einklinkte und das Familienwahlrecht für gut befand. Denn junge Eltern haben andere Perspektiven und sollen auch im Namen ihrer Kinder abstimmen dürfen.
Bezahlbarer Wohnraum
„Was ist bezahlbar?“ hinterfragte Günter Straßberger, „das sei wohl eine Frage des Verdienstes“ und kritisierte, dass sozialer Wohnungsbau vernachlässigt wurde. Er wünscht sich, dass Wohnungen bezahlbar werden, in dem die Leute mehr verdienen. Hier zückte Ana König (SPD) ihren Joker. „Wohnen sei ein Grundrecht“, so König und es kann nicht sein, dass über 30 % des Gehaltes für die Miete ausgegeben werden muss. Ihrer Meinung kann es nicht sein, dass Bauland und Wohnungen zu reinen Spekulationsobjekten werden. Nur durch den Bau von mehr Wohnungen können die Preise auf dem Markt wieder sinken. Hubert Aiwanger (Freie Wähler) sieht hier eine wichtige soziale Frage. Und der Staat muss hier regulierend eingreifen, insbesondere, weil durch immer mehr Bürokratie das Bauen immer teurer wird.
Wohnungsbau und Mieten: Das Joker-Thema für die SPD-Kandidatin Anja König
Laut Florian Oßner (CSU) hat sich die vorgenommen 1,5 Millionen neue Wohnungen zu bauen. Anja König betonte, den öffentlichen Wohnungsbau voranzutreiben, Denn hier geht es nicht um Profit oder Verzinsung und kritisierte Florian Oßner: „Es hilft nicht, wenn in Berlin die Mittel dafür erhöht und gleichzeitig in Bayern gekürzt werden. Auch sei es ein Unding, den Kauf von Wohnungen durch Grunderwerbssteuer zusätzlich zu belasten.
3 + 2 Regelung
Dieses Thema benötigte zunächst Erklärung. Was bedeutet die „3 + 2 Regelung? Die 3+2-Regelung heißt, dass ein Flüchtling, der eine Ausbildung in Deutschland begonnen hat und die rechtlichen Voraussetzungen erfüllt, auch dann die Ausbildung abschließen und eine zweijährige Anschlussbeschäftigung ausüben kann, wenn sein Asylantrag abgelehnt wird.
3 + 2 – Was ist das genau? Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger geht auf Nummer sicher, recherchiert im Internet und erklärt der Grünen Petra Seifert die Details.
Für Hubert Aiwanger ein strittiges Thema. Warum soll dies über das Einwanderungsgesetz geregelt werden? Für ihn wäre der direkte Weg besser, da die Wirtschaft dringend Arbeitskräfte sucht. Er hält es auch nicht für richtig, dass Asylbewerber in Bayern während ihrer Ausbildung abgeschoben werden. Ja, das 3 + 2-Gesetz ist von uns beschlossen worden, so Florian Oßner und das Problem tritt auf, wenn der Ablehnungsbescheid vor dem Abschluss eines Ausbildungsvertrages unterschrieben wurde.
Wahlkampfprofi: Hubert Aiwanger läuft sich mit dem Bundestagswahlkampf warm zur nächstjährigen Landtagswahl.
Was ist mir Europa wert?
„Europa ist ein großes Friedensobjekt“ in dem Deutschland als Exportweltmeister mit boomender Wirtschaft als klarer Gewinner dasteht, erklärte Anja König. Wir profitieren und müssen auf ein starkes Europa achten“, so König weiter. Florian Oßner sieht in Europa mit seiner Reisefreiheit eine große Wertegemeinschaft in dem Deutschland einen starke Stabilisierungsanker bildet.
Erkan Dinar avancierte sich zum heimlichen Star des Abends und bot mit Linken Argumenten selbstbewußt Paroli.
Mit deutlicheren Worten meldete sich Erkan Dinar zu Wort. Er gibt Deutschland die Mitschuld, dass in vielen Ländern, auch der Türkei, Despoten unterstützt werden. Dinar, der selbst als Leiharbeiter zu einem Stundenlohn von 9,23 € arbeitet, wünscht sich, dass Leiharbeiter in Europa einen besseren Status erhalten, wenn es um ihre Entlohnung geht. Als Beispiel nannte er die Firma in der er arbeitet. Deutsche Leiharbeiter wurden aus- und Ungarische eingestellt. Diese arbeiten für 400 € im Monat.
Anja König steht fest: Für uns ist „der Ofen aus“ wenn Erdogan die Menschenrechte mit Füßen tritt. Dass die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei auf Eis gelegt werden, begrüßt Florian Oßner und sagte: „Was Erdogan macht, ist scharf zu verurteilen.
Auch Nicole Bauer bekannte sich ganz klar „Pro Europa“, sieht aber große Probleme in dem „riesigen bürokratischen Unsinn“, der aus Brüssel kommt und kritisierte die Flüchtlingsverteilung in den Ländern der EU. So kam sie zu dem Schluss: „Ich sehe Europa aktuell als Rohbau.“
Ganz klar: Florian Oßner will auch in Zukunft die niederbayerische CSU im Bundestag vertreten.
Nach und nach wurde das Europathema immer spannender. Anja König forderte die Europaweite Stärkung von Betriebsräten, einen europäischen Mindestlohn und gleiche Standards bei den Arbeitnehmerrechten. Dafür bekam sie Rückendeckung von Erkan Dinar: „Mit Rot/Rot/Grün ist das möglich.“ Gleichzeitig kritisierte er Deutsche Waffenlieferungen in die Türkei. „Wer hat das genehmigt?“, worauf Florian Oßner antwortete: „Der Wirtschaftsminister der SPD!“ Unisono warf Anja König ein, dass Deutsche Waffenexporte massiv verringert werden müssen, „denn Waffen werden zum töten gebaut.“ Für sie soll Deutschland eine Friedensmacht sein. Darauf gab Florian Oßner zu verstehen, dass Angela bestimmt keine Kriegstreiberin, sondern vielmehr eine Diplomatin ist.
Dann wurde es noch deutlicher: Erkan Dinar gab der SPD die Mitschuld, dass Oppositionelle, speziell die Kurden, in der Türkei nicht unterstützt werden und forderte, dass das PKK-Verbot wieder fallen muss „und das sage ich als türkischstämmiger!“ Auch Hubert Aiwanger hält es für inakzeptabel, dass Waffen an Länder wie Saudi Arabien geliefert werden, die dann in den Kriegen im Nahen Osten eingesetzt werden und Menschen zur Flucht zwingen.
Es ein Unding, dass in Deutschland Geld für Rüstung ausgegeben wird und gleichzeitig jedes vierte Kind in Armut aufwächst, fügte Erdan Dinar hinzu und erläuterte die Lage der Menschenrechte in der Türkei an seiner eigenen Person.. Er kann nicht einmal das Grab seines Vaters in der Türkei besuchen. Für ihn ist die Gefahr viel zu groß, dort sofort verhaftet zu werden.
Publikumsfragen
Wie steht Günter Straßberger zu Hass, Wut, Intrigen und Verschwörungen, die durch die AfD verbreitet werden?
Darauf antwortete er, dass er sich mit Extremismus und rechtem Gedankengut nicht wohl fühlt.
Null AfD-Polemik: Günter Straßberger war fromm, wie ein Kuscheltiger.
Was unternehmen die Parteien, um Arbeit in Zukunft zu garantieren, in Anbetracht der Prognose, dass bis 2030 laut einer Studie 30 Prozent der Arbeitsplätze wegfallen sollen?
60.000 Arbeitsplätze sind derzeit nicht besetzt, so Anja König und es wird immer so sein, dass bestimmte Arbeitsplätze, beispielsweise durch die Digitalisierung wegfallen und dafür neue geschaffen werden.
Dieses Problem sieht Florian Oßner nicht, da dringend Facharbeiter gesucht werden und Bayern mit einer Jugendarbeitslosigkeit von gerade 3 Prozent einen glänzenden Wert vorweisen kann.
Kurz über lang wird eine qualifizierte Einwanderung von Facharbeitern nötig sein, positionierte sich Nicole Bauer.
Wie steht es um die industrielle Tierhaltung?
Dass in der Landwirtschaft ein immenser Verdrängungswettbewerb besteht und die Gewinnschwelle bei bäuerlichen Betrieben bei Flächengrößen von 50 bis 70 Hektar steht, ist für Florian Oßner nicht von der Hand zu weisen. Seiner Meinung nach sollen Bestandssicherungen durch gestaffelte Hektarförderungen gewährleistet werden.
Petra Seifert kam nicht einmal beim Grünen Paradethema „Massentierhaltung“ überzeugend aus den Pantoffeln.
Es braucht die Agrarwende, so Petra Seifert (Bündnis 90/Die Grünen), denn die Qualität unseres Trinkwassers, insbesondere durch Nitrate, wird durch die Europäische Union mit großem Argwohn gesehen. Daher soll die ökologische Landwirtschaft stärker gefördert werden und gleichzeitig sollen die Landwirte nicht am Tropf von Subventionen hängen.
Wie steht es um den Fachkräftemangel in medizinischen Berufen?
Hier werden, laut Nicole Bauer, bei den Gehältern höhere Bemessungsgrenzen nötig sein. Sie und Hubert Aiwanger sehen in den Pflege- und Gesundheitsberufen eine Zeitbombe, die uns sonst um die Ohren fliegt. „Es kann nicht sein, dass das polieren eines Autos besser bezahlt wird, als die Pflege von Menschen, so Aiwanger weiter.
Auch für Anja König steht fest, dass die Pflege mehr wert sein muss, als das polieren eines Autos und fordert einen flächendeckenden Tarifvertrag für Pflegeberufe.
War für die ÖDP in der Außenseiterrolle: Stefan Zellner
Operationstechnische Assistenten (OTA’s) und Medizinischtechnische Assistenten (MTA’s) erhalten in der Ausbildung kein Geld, Heilerziehungspfleger (HEP’s) müssen Schulgeld bezahlen. Ist das gerecht?
„Nein“, so Anja König, und da wollen wir ansetzen und die Gebühren abschaffen. „Als Juniorpartner in der großen Koalition hatten wir dazu keine Mehrheit.“
Dass der Personalschlüssel auf den Stationen „unter aller Sau“ ist, bereitet Erkan Dinar Sorgen. Viele die in Pflege- oder medizinischen Berufen arbeiten, kündigen bereits nach drei Jahren wieder, weil die Arbeitsbelastung viel zu hoch ist.
Das rechtspopulistische eingestufte Compact-Magazin verbreitet, dass Deutsche durch Flüchtlinge ausgetauscht werden sollen. Was sagt Günter Straßberger dazu?
Günter Straßberger antwortete: „Pauschal sehe ich nicht, dass ein neues Volk kommt.“
Stiller Protest in der Alten Kaserne immer dann, wenn AfD-Mann Günter Straßberger das Wort ergriff.
Wie stehen die Kandidaten zum dreigliedrigen Schulsystem?
Nicole Bauer, Hubert Aiwanger, Florian Oßner, Günter Straßberger, Stefan Zellner (ÖDP) faforisieren das dreigliedrige Schulsystem, Anja König eine Miscgung aus dreigliedrig und Gesamtschule während Petra Seifert und Erkan Dinar der Gesamtschule den Vorrang geben.
Wie wollen die Parteien ihre Wahlversprechungen finanzieren?
Nicole Bauer will Milliardenunternehmen wie Google oder IKEA, die weitgehendst keine Steuern zahlen, zu Kasse bitten.
Erkan Dinar will das Geld den Reichen nehmen und den Armen geben. Dazu soll der Spitzensteuersatz für Einkünfte über 70.000 € auf 53 % angehoben werden sowie große Vermögen besteuern.
Anja König will zunächst auf 30 Milliarden € Rüstungsausgaben verzichten, Steuerflüchtige zur Kasse bitten die Finanztransaktionssteuer und die Bürgerversicherung einführen.
Florian Oßner will die Steuerprogression abflachen und den Solidaritätsbeitrag abschaffen.
Petra Seifert will Steuerschlupflöcher schließen und Superreiche stärker besteuern.
Günter Straßberger will große Konzerne stärker besteuern.