Glei­cher Lohn bei glei­cher Ar­beit

Landshuter Zeitung  Niederbayern / Oberpfalz 13
Samstag, 17. März 2018
Der „Equal Pay Day“ ver­weist auf ei­ne Lohn­lü­cke zwi­schen Män­nern und Frau­en. Un­ter­neh­men, Po­li­ti­ker und Ge­werk­schaf­ten aus Ost­bay­ern spre­chen über Ur­sa­chen

Von der Hauptstadt bis nach Ostbayern: Überall in Deutschland fordern Frauen am „Equal Pay Day“ den gleichen Lohn wie Männer. Foto: dpa
Landshut/Regensburg. (ses) Der „Equal Pay Day“ macht auf die klaffende Lohnlücke zwischen Männern und Frauen quer durch die Berufsbranchen aufmerksam. Er fällt auf Sonntag, 18. März. Weil Frauen laut Statistischem Bundesamt 21 Prozent weniger verdienen als Männer, arbeiten sie theoretisch bis zu diesem Tag umsonst.
Während es bundesweit eine Lohndifferenz von 21 Prozent (Stand: 2016) gibt, ist es im Freistaat sogar ein Unterschied von 24 Prozent im Schnitt. Allerdings ist es schwer, diese Stichprobe zu regionalisieren, sagt Gunnar Loibl, Sprecher des Statistischen Landesamtes: „Je weiter man regionalisiert, desto mehr Zufallsfehler passieren.“ Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (Stand: 2016) hat mit einer Studie allerdings einen Versuch gestartet, sich regional der Geschlechterlohnlücke, auch „Gender Pay Gap“ genannt, anzunähern. Ein Landkreis, in dem die Lohnlücke danach weit über dem Bundesschnitt liegt, ist Dingolfing-Landau. Dort, wo BMW seinen Standort hat, verdient ein Mann im Schnitt 38 Prozent mehr als eine Frau (wir berichteten).
Höhere Wertigkeit in Sozial- und PflegeberufenDer Geschäftsführer der Gewerkschaft Verdi im Bezirk Niederbayern, Hartmut Veitengruber, sagt, es geht nicht nur um die Lücke, es bedürfe einer faireren Verteilung und einer Neubewertung von Arbeit, gerade in den „klassischen Frauenberufen“. „Arbeit im öffentlichen Bereich – dazu zählen Erziehung, Krankenpflege, Altenpflege – sollte den gleichen Stellenwert haben wie die Arbeit mit Maschinen. Hier geht es ja zum Beispiel auch um das Wohl der Kinder. Was ist hochwertiger als das ?“ Die Sozial- oder Pflegeberufe sind meist schlechter bezahlt. Männer hingegen dominieren immer noch in den technischen Berufen, die besser entlohnt werden. Der Verdi-Geschäftsführer in der Oberpfalz, Alexander Gröbner, kritisiert: „Wir sind ein Spiegel der Gesellschaft, auch bei uns in der Oberpfalz ist die Differenz Realität. Durch den ‚Equal Pay Day‘ können wir auf Missstände hinweisen und dickere Bretter bohren, um Frauen besserzustellen.“ Der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der IHK Niederbayern, Martin Frank, sieht dabei das Problem im Fachkräftemangel: „Wenn mehr Frauen in Beschäftigung kommen und auch ihren Arbeitszeitanteil steigern, kann das ein Baustein sein, um den Fachkräftemangel zu mildern.“ Dieses Potenzial müsse noch stärker genutzt werden. „Von den rund 430 000 Beschäftigten in Niederbayern ist knapp die Hälfte weiblich“, allerdings arbeiteten davon viele in Teilzeit. Dass Technik in Niederbayern weiterhin eine Männerdomäne sei, müsse sich ändern: „In vielen Bereichen sind Frauen nur mit einem Anteil von etwa zehn Prozent vertreten“, so Frank weiter. Gleichstellungssstellen in der Region versuchen daher, Frauen frühzeitig zu fördern. Gleichstellungsbeauftragte Margarete Paintner aus Landshut sagt: „Wir versuchen schon in Schulen entsprechendes Material vorzustellen und über Berufe und Rente aufzuklären.“ Große Städte wie Landshut und Regensburg organisieren Veranstaltungen rund um den „Equal Pay Day“. Ingrid Asche, Projektleiterin des „Equal Pay Days“ in Regensburg, kritisiert, dass der Einzelfall oft unsichtbar bleibe, „da Transparenz hinter dem Tabu ‚über Geld spricht man nicht’ zurücksteht“. Viele Beschäftigte würden daher auch nichts über die Ungleichbehandlung erfahren. Das Motto des diesjährigen „Equal Pay Days“ ist daher auch „Transparenz gewinnt“. Zwar wurde im vergangenen Jahr das Entgelttransparenz-Gesetz auf den Weg gebracht, nach dem Beschäftigte in Betrieben mit mindestens 200 Angestellten Anspruch darauf haben, zu erfahren, wie viel ihre Kollegen verdienen. Doch davon machen in der Praxis nicht viele Gebrauch. „Von den rund 90 000 Beschäftigten bei BMW haben bisher zehn nachgefragt“, verrät Jochen Frey, BMW-Pressesprecher. „Doch insgesamt gibt es für gleiche Arbeit auch den gleichen Lohn.“ Dass bei BMW mehr Männer arbeiten, kann Frey bestätigen: „Wir haben einen Anteil von 16,1 Prozent Frauen in Deutschland und 19,3 Prozent weltweit.“ Dafür seien im Führungsnachwuchs 44 Prozent Frauen vertreten. In Führungspositionen waren es 2010 zehn Prozent und 2017 vier Prozent mehr. Frey sagt, dass es sich um einen langsamen Prozess handle, auch, weil es zu wenig Frauen in technischen Berufen gibt. „Das ist auch in Dingolfing-Landau noch ein Problem.“ So gibt es bei mehreren großen Unternehmen in der Region noch Luft nach oben, aber auch schon Fortschritte in der technik- und industriedominierten Region. Continental Regensburg etwa teilte in einer Pressemitteilung mit, dass von 52 Azubis und Bachelorstudenten eine Mehrheit von 28 Frauen ihren Abschluss feierte.
Der „Equal Pay Day“ müsste auf Silvester fallen

Um die Lücke zu schließen, muss sich auch politisch einiges ändern. Dazu haben sich gestern Politiker aus der Region geäußert. Die Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Nicole Bauer aus Landshut, fordert Flexibilität, Arbeit von zu Hause aus, Kinderbetreuung und „mehr Programme in Städten und auf dem Land, um Frauen und Mädchen für den MINT-Bereich zu begeistern“. Die Landtags-Grünen fordern in einem Dringlichkeitsantrag zum Thema Lohngleichheit, dass die Transparenzregelung für alle Unternehmen ab 20 Beschäftigten gelten und es bei diskriminierender Entlohnung mehr Klagerechte geben solle. „Der Grundsatz gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit muss verbindlich durchgesetzt werden“, heißt es darin weiter. Dem schließt sich auch SPD-Abgeordnete Marianne Schieder aus der Oberpfalz an. „Ein wichtiger Baustein ist dabei das Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit.“ Die SPD-Politikerin Johanna Uekermann aus Mitterfels teilte auf Nachfrage mit, dass aufgrund der eklatanten Lohnlücke eine Reihe von Maßnahmen nötig sei. „Wir brauchen familienfreundlichere Arbeitszeiten, den Ausbau von Kitas und der Betreuung an Schulen, bessere Aufstiegschancen und mehr Transparenz bei den Gehältern. Es ist Zeit, dass der ‚Equal Pay Day‘ in Zukunft auf Silvester fällt.“


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