„Es ist ein­fach, zu täu­schen“

  Landshuter Zeitung    Niederbayern / Oberpfalz 10 Montag, 2. Juli 2018
Der Jour­na­list Ab­dul­lah Khan hat vier Mo­na­te beim Bamf ge­ar­bei­tet. Nun be­rich­tet er bei den nie­der­baye­ri­schen FDP-Frau­en von den Vor­gän­gen – und dem Be­hör­den­ver­sa­gen

       Sie debattierten zum Thema „Flüchtlingspolitik neu denken“: (v. l.) Bezirksvorsitzende Alexandra Straßberger, Josefa Schmid, Bild-Journalist Abdullah Khan, Bundes-Generalsekretärin Nicola Beer, MdB Nicole Bauer und Bayern-Generalsekretär Norbert Hoffmann. Foto: kam
Oberalteich. (kam) „Es passiert noch einiges. Es ist schlauer zu schweigen.“ Und das hat sie auch getan: Josefa Schmid, Kollnburger Bürgermeisterin und Ex-Interimsleiterin des Bremer Bamf, hat am Samstag bei einer Podiumsdiskussion der Liberalen Frauen Niederbayern im Landkreis Straubing-Bogen zum Thema Bamf kein Sterbenswörtchen verloren. „Flüchtlingspolitik neu denken“, unter diesem Motto stand die Diskussionsrunde. Auch ohne große Worte von Josefa Schmid hat die FDP Niederbayern die Wahlkampf-Trommel in Oberalteich ordentlich gerührt.
Der Bild-Journalist Abdullah Khan ist vielen bekannt aus der Sendung Markus Lanz, in der er über seine Erfahrungen im Bamf (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) berichtete. Teilnehmer der Podiumsdiskussion waren ebenfalls FDP-Generalsekretärin Nicola Beer, Bundestagsabgeordnete Nicole Bauer und Norbert Hoffmann, Generalsekretär der Bayern-FDP. Moderiert hat die niederbayerische FDP-Bezirksvorsitzende Alexandra Straßberger.
Ohne Ausweis und Papiere: „Fast jeder lügt beim Alter“
Auch am Samstag erzählte Khan von den Zuständen im Berliner Bamf. Um der Flut an Asylbewerbern Herr zu werden, stellte das Bamf damals ein. Üblich wäre eine Einarbeitungszeit von etwa zehn Wochen – „ich hatte zehn Tage“, sagte der Journalist. Die inhaltlichen und juristischen Schritte eines Asylverfahrens seien ihm während der vier Monate nie erklärt worden. „Ich weiß bis heute nicht, was ich manche Asylbewerber da unterschreiben habe lassen.“ Khan erlebte auch immer wieder Probleme mit dem Datensystem, das weder für so viele Mitarbeiter-Zugriffe noch Asylanträge ausgelegt war. Systemabstürze und -zusammenbrüche seien an der Tagesordnung gewesen – mehrfach. Während Khans Zeit beim Berliner Bamf gab es etwa eine halbe Million Asylanträge zu bearbeiten. Für Flüchtlinge aus Syrien gab es sogenannte beschleunigte Verfahren. Basis war ein einseitiger Fragebogen. Auf Grundlage dessen ist entschieden worden – in über 135 000 Fällen. „So ging das über ein halbes Jahr“, sagte Khan. Die meisten Flüchtlinge kamen ohne Ausweis oder Papiere. Dabei sei es schwer zu unterscheiden, „ob nun ein Syrer oder ein Afghane vor einem sitzt. Und fast jeder lügt beim Alter.“ Der Sachbearbeiter lege der Akte zwar meist einen Vermerk bei, dass das Alter wohl nach oben korrigiert werden müsste. Weitere Beachtung finde das aber nicht.
„Es ist einfach, zu täuschen“, klagt Khan. Doch selbst die, die mit Pass kamen, wurden kaum erwähnenswert überprüft. Er selbst gab einen Ausweis an die zuständige Passkontrolle weiter. Diese zögerte sich mehr als vier Monate hinaus. Auf Nachfragen antwortete man Khan demnach, der Pass liege noch auf einem Stapel, der abgearbeitet werden müsste. „Am Ende meiner Zeit beim Bamf war der Pass noch immer nicht zurück“, so Khan. Lösungsansätze hat die FDP viele – und auch eine Prophezeiung: So würde der Innenminister und „bayerische Löwe“ Horst Seehofer (CSU) im Asyl-Streit mit der CDU bald „zum Bettvorleger werden“. Dabei könnte er gerade jetzt zur Schlüsselfigur werden, indem er „das Bamf plattmacht und eine neue Behörde schafft“, sagte Bezirksvorsitzende Straßberger. „Nur die Chefin auszutauschen ist sinnlos. Das System funktioniert dennoch nicht“, bestätigte Generalsekretärin Beer.
FDP fordert neues Dublin-Verteilungssystem
Was es laut FDP braucht: ein neues Verteilungssystem. „Dublin IV muss kommen“, forderte Bundestagsabgeordnete Bauer. Das aktuelle Dublin-Abkommen (Dublin III) habe Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit ihrer Willkommenskultur im Jahr 2015 selbst umgewälzt. Nun sei sie versucht, die Rechtslage wieder zur Geltung zu bringen, die sie damals selbst zunichtegemacht habe. Alles in allem müsse vor allem differenziert werden, in welche Sparte die Flüchtlinge an der Grenze eingeordnet werden: religiös und politisch verfolgt, Wirtschaftsflüchtling oder potenzielle Fachkraft. In den Arbeitsmarkt gewissermaßen einzuwandern, sei legitim. „Denn wir brauchen Fachkräfte“, sagte Beer. Um in Deutschland zu arbeiten, brauche es aber keine Schlepper-Route über das Mittelmeer. Stattdessen könnten qualifizierte Fachkräfte etwa auch die Botschaft aufsuchen und einen Antrag ausfüllen. „Das wissen die nicht. Und das muss geändert werden“, machte sich Beer dafür stark. Mit ihren deftigen Aussagen und Kritik an der CSU wollen die Freien Demokraten vor allem eins: zurück in den Sattel – zumindest ab Oktober in Bayern.

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